Pressemitteilung der Schura-Bremen zum heimtückischen Mord an Marwa El Sherbini

"Klaren Verstand bewahren" - Gemeinsam gegen Islamophobie

Der heimtückische Mord an Marwa El Sherbini hat die muslimischen Gemeinschaften in Deutschland zutiefst beunruhigt und schockiert, zumal er während einer Gerichtsverhandlung geschah, in der Marwa El Sherbini als Zeugin aussagen sollte. Die Tat ist umso unverständlicher, als der Täter noch genügend Zeit hatte, den dreijährigen Sohn des Opfers zu verletzen und auf ihren Ehemann, der sich schützend vor seine Frau stellen wollte, einzustechen. Der lebensgefährlich verletzte Ehemann wurde obendrein noch von einem Polizeibeamten „versehentlich“ angeschossen.

Wir fragen uns, wie es möglich war, dass das Verbrechen in einem rechtlich geschützten Raum; also unter der Obhut des Staates, geschehen konnte? Wir fragen uns, wie es dem Angeklagten möglich war, ein Messer mit sich zu führen, mit dem er sein Opfer niederstechen und tödlich verletzen konnte? Wir fragen uns insbesondere warum angesichts der Umstände des Mordes, die rassistischen Motive des Täters in der Berichterstattung über die Tat, entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt werden?

Es ist für uns eindeutig, daß das Verbrechen einen islamfeindlichen Hintergrund hat, in dessen Mittelpunkt wieder ein Mal mehr das Kopftuch stand. Müssen muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen und dafür tagtäglich Spott, Demütigung und permanente Ausgrenzung erfahren, künftig auch damit rechnen, wahllos Opfer von Gewaltverbrechen zu werden?

Es macht sich unter den Muslimen immer mehr das Gefühl des hilflosen Ausgeliefertseins gegenüber rassistischer Hetze breit, zumal diese nicht mehr auschliesslich aus den „Rändern der Gesellschaft“, sondern immer mehr aus der sog. „Mitte“ zu kommen scheint.

Diese Tat ist ein eindeutiges Signal, dass die Saat der antiislamischen “Hassprediger” und die Ethnisierung bzw. die assoziative Verknüpfung von Gewaltthemen-/taten mit Symbolen des Islams in den Mainstream-Medien aufgeht!

Wenn sich die Politik weiterhin wie bisher dilettantisch mit dem Erstarken eines antiislamischen Genres als Ausdruck von Meinungsfreiheit befasst und Probleme ausschließlich aufseiten von Muslimen vermutet, werden wir die längst gerufenen Geister bald nicht mehr bändigen können. Wir sehen, in dieser politischen Haltung eine der Ursachen, die es Tätern erleichtern, Kopftuch tragenden Frauen Gewalt anzutun. Es muss alles getan werden, um dieser unheilvollen Entwicklung Einhalt zu gebieten.

Wir appellieren daher an die vielen, vielen Christen, Juden, Integrations- und Islambeauftragten, Politiker und Gewerkschaften, die seit Jahren mit den Muslimen im Dialog stehen, “jetzt” Protest gegen diese Entwicklung zu erheben, die unsere Gesellschaft spaltet und in der Konsequenz eine gelungene Integration der Muslime unmöglich macht.

Wir appellieren angesichts dieses Verbrechens, in dem eine ganze Familie zum Opfer eines einzelnen Täters geworden ist, auch und insbesondere an unsere muslimischen Brüder und Schwestern, ihren „klaren Verstand zubewahren und den Kurs der Annäherung an die Mehrheitsbevölkerung fortzusetzen, statt Gewalt mit Gewalt zu beantworten.

Besonders die Imame und die Gemeindevorsteher sind aufgerufen, neben ihrer Trauer und trotz allem Schmerz und den aufkommenden Ängsten, die ihnen anvertrauten Muslime, zur Geduld und zum Frieden zu mahnen und dabei daran zu denken, dass die Gesellschaft in der wir leben auch unsere Gesellschaft ist.

Ende